Stimmig und mit Liebe zum Detail

Gesetzbücher: Vollblut-Volkstheater beim »Wochenende voller Zärtlichkeiten« in Mönchberg – Alle Akteure überzeugen

Mönchberg
 Wenn man vom »Kulturlandkreis Miltenberg« spricht, dann denken die meisten an Chöre, Musikkapellen, bildende Künstler und Maler – kaum jemand spricht von Theater. Schade eigentlich. Denn was hier an Volkstheatergruppen aktiv ist, stellt manches Bauerntheater im Fernsehen in den Schatten. Jüngstes Beispiel:

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»Ein Wochenende voller Zärtlichkeiten«, das die Mönchberger Gesetzbücher mit ihrem diesjährigen Stück versprechen.
Eindeutig zweideutig
Natürlich wird auch da mit den üblichen und bekannten Versatzstücken gearbeitet: Es wird »beiseite gesprochen«, als ob der Partner auf der Bühne schwerhörig wäre und nicht mitbekäme, wenn man Dinge sagt, die der Letzte im Publikum hört Die zahlreichen Türen auf der Bühne müssen für temporeiche Versteck- und Nachlaufspiele herhalten. Viele Stellen klingen eindeutig zweideutig und sind trotzdem jugendfrei. Und immer wieder sind Sätze zu hören, die nicht so schnell vergessen werden und zum Lachen sind.
»Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen« lässt Loriot alias Vico von Bülow seine Figuren resümieren. Die Gesetzbücher sagen eigentlich dasselbe, aber auf ganz andere Art: deftiger, umgangssprachlich, mit Dialekt und so, dass nach gut zwei Stunden Spielzeit das Publikum Bauchschmerzen vom Lachen hat.
Wenn Renate Miltenberger alias Liane ihrem Egon (Gebhard Motzel) verärgert zuruft: »Wir hätten euch Männer im Paradies zurück lassen sollen«, entgegnet der kühl: »Wir wollten net raus.« Und auf ihre hoffnungsfrohe Frage »Egon, du liebst mich doch?« folgt nur ein »Na klar.«
Auch die Ehe von Lianes Schwester Rosine (Anita Keller) mit ihrem Hans-Dieter (Werner Becker) funktioniert nach diesem Muster. »Ein Gen weniger, und du hätt’st Borsten und ein Ringelschwänzchen« muss sich der Pantoffelheld anhören – im »Wochenende voller Zärtlichkeiten« die Grundlage für eine jahrzehntelange Ehe.
Kaum eine Zutat temperamentvollen und temporeichen Volkstheaters haben die Gesetzbücher bei ihrem Menü vergessen: Nachbar Fritz (Alois Miltenberger) erfüllt alle Bedingungen für eine Einstellung bei einer volkstümlich-harmlosen Spielart der Stasi, und Nachbarin Gudrun (Daniela Schmitt) ist die Personifikation der Neugier und des Schmarotzertums. Besucherin Lotte (Alexandra Seufert) spielt mit zum Brüllen komischer Naivität und L-Schwäche eine verhinderte Schauspielerin, Eleonore Knapp mit ihrem komödiantischem Talent gibt eine 75-jährige Großmutter, die sich angeblich einen jungen Geliebten anlacht, um aus dem langweiligen Altenheim zu entkommen, und dieser Geliebte (Udo Seufert) macht seinem Namen Buntspecht alle Ehre. Neben den durchweg überzeugenden Auftritten aller Akteure besonders erfreulich: Im »Wochenende voller Zärtlichkeiten« verzichten die Gesetzbücher auf den maroden Charme von Bauernstuben und aufgesetztem oberbayerischem Flair.
Bühnenbild ist hell und modern
Das Bühnenbild ist hell und modern. Julia, die Tochter von Egon und Liane – mit guter Gestik und Mimik von Daniela Wolz verkörpert – bringt die Stimme der realistischen, taffen Jugend auf die Bühne, und auch die drei Tänzer in Nikolauskostümen mit Fritz’ Neffen Florian (Marco Spall) an der Spitze sorgen dafür, dass beim Volkstheater das 21. Jahrhundert an die Tür klopft – ohne dass die bewährten und beliebten Versatzstücke des Genre auf der Strecke blieben: Die Besenkammer ist wirklich unverzichtbar, Küsse im Dunkeln und wilde Verwechslungen kommen nicht zu kurz, und eine 75-Jährige mit »Ferz im Kopf« garantiert Lachsalven.
Alles ist stimmig und mit Liebe zum Detail von Regisseur Reinhold Keller inszeniert und wird von einer bewährten Mannschaft hinter den Kulissen mit Phantasie und Sorgfalt zum Erfolg geführt. Kein Wunder, dass die Aufführungen fast ausverkauft sind, und so mancher Satz im lauten Lachen des Publikums untergeht.
Heinz Linduschka